A. Antworten zu Atomwaffen und
Friedensentwicklung
1. INF-Vertrag,
Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in Europa?
Die Linke, die Grünen, die SPD und die FDP
wollen alle den INF-Vertrag retten, wobei die FDP Russland in der Bringschuld
sieht, Transparenz über ihre 9M729-Raketen herzustellen.
2. Abzug aller Atomwaffen
aus der EU?
Linke, Grüne und SPD treten für ein atomwaffenfreies Europa vom
Atlantik bis zum Ural ein. Dazu gehören der Abzug der vorhandenen Atomwaffen
und die Ablehnung einer neuerlichen „Nachrüstung“.
Die
FDP legt Wert auf Zusammenhalt in der NATO, in der sie unsern
wichtigsten sicherheitspolitischen Anker sieht. Die EU sollte aber einen neuen
diplomatischen Anlauf für Rüstungskontrolle und Abrüstung unternehmen, weil
immer mehr Staaten nach A-Waffen streben.
3. UN-Atomwaffenverbotsvertrag?
Die Linke, die Grünen und die SPD
setzen sich dafür ein, dass die EU ihren Mitgliedsländern den Beitritt zum
UNO-Atomverbotsvertrag empfiehlt.
Die
SPD tritt außerdem dafür ein, vertragsgestützte Abrüstung,
Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung in den Mittelpunkt der europäischen
Politik zu stellen, möglichst viele Länder in neue Abkommen einzubinden.
Die
FDP sieht in der weltpolitischen Lage bestehende Abrüstungsregime
bedroht; sie sieht aber die EU weiter im festen Verbund mit der NATO.
4. Europäische
Union - ein Friedensprojekt oder eine
Militärmacht?
Die Linke sieht den Weg zu mehr Sicherheit allein in
konsequenter Friedenspolitik und Förderung globaler Gerechtigkeit. Eine
europäische Armee und andere Vorhaben der Militarisierung lehnt sie ab, da sie
eher Konzerninteressen dienen.
Die
Grünen wollen, dass die EU in der Lage ist, Friedensabkommen militärisch
abzusichern.
Sie
unterstützen die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik, soweit sie
sich auf die Aufgaben des Artikels 43 (1) EU-Vertrag beschränkt, d. h.
humanitäre u. Rettungseinsätze, militärische Beratung und Unterstützung, z. B.
im Kampf gegen den Terrorismus,
Konfliktverhütung/Friedenserhaltung, etc.. Einsätze im Rahmen der
UN-Charta. Sie sehen Vorteile (Kostenersparnis) in europäischer
Rüstungszusammenarbeit, aber diese darf keinesfalls zu Rüstungsexport führen.
Die
SPD arbeitet für eine auf Frieden und Abrüstung verpflichtete
Außenpolitik, Achtung der Menschenrechte, Teilhabe aller Menschen am
Wohlstand, Ausbau der Konflikt- und Krisenprävention und Klimadiplomatie. Aber
zur Verteidigung will sie eine europäische Armee und kooperative
Rüstungspolitik, um durch Synergien höhere Rüstungsausgaben unnötig zu machen.
Die
FDP will ziviles Krisenmanagement unterstützen, aber befürwortet auch
eine europäische Armee unter parlamentarischer Kontrolle zur
eigenverantwortlichen Gewährleistung der Sicherheit. Sie unterstützt die
Europäische Verteidigungsunion und die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit
(PESCO).
5. Zum Zweck der
Migrationsabwehr Krieg führende oder Menschenrechte verletzende Staaten
aufrüsten?
Linke, Grüne, SPD und FDP lehnen Waffenexporte in Krieg
führende, Menschenrechte verletzende oder
repressive Staaten und in Krisengebiete ab.
Die
Linke will Frontex auflösen, Seenotrettung zivil organisieren, legale
Einreisemöglichkeiten, Flüchtlingsrechte auch für Armuts- und Klimaflüchtlinge,
Einhalten der Genfer Konvention und der UN-Kinderkonvention sowie der
EU-Menschenrechtskonvention erreichen.
Die
Grünen lehnen die finanzielle
Unterstützung der Migrantenabwehr durch repressive Regime ab.
Die
SPD lehnt die Zweckentfremdung von Entwicklungszusammenarbeitsgeldern zur
Migrationsverhinderung und für militärische Zwecke ab. Sie hat sich damit gegen
Ministerrat und Kommission durchgesetzt und strebt das auch künftig an.
Die
FDP ist grundsätzlich gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete, also
auch, wenn diese der Abwehr von Migration dienen sollen.
6. Mehr Mittel der EU zur
Förderung der gewaltfreien Konfliktbearbeitung, Menschenrechte und Demokratie?
Die
Linke wird sich für die Stärkung der EU-Mittel für die Förderung der gewaltfreien
Konfliktbearbeitung, Frieden, Menschenrechte und Demokratie einsetzen.
Allgemein steht sie für eine gerechte und solidarische Weltwirtschaftsordnung,
für die Achtung des Völkerrechts. Sie unterstützt die internationale
Zusammenarbeit der Friedensbewegung.
Die
Grünen wollen die EU-Haushaltsmittel für zivile Konfliktprävention und
Mediation im Vergleich zum laufenden mehrjährigen Finanzrahmen mindestens
verdoppeln, haben bisher dafür keine Unterstützung anderer Parteien gefunden.
Die
SPD will die EU zur Friedensmacht entwickeln, das bedeutet die
Beziehungen Europas zu seinen internationalen Partnern an den Prinzipien der
Menschenrechte, der nachhaltigen Entwicklung und der Überwindung von
Ungleichheiten auszurichten. Dafür fordert sie ein “Europäisches
Stabilisierungscorps“, in das alle Mitgliedsstaaten ExpertInnen für
demokratischen Staatsaufbau, Rechtsstaatlichkeit und Ausbildung von
Sicherheitskräften entsenden. Expertise und Fähigkeiten der Polizei sollen
international mehr genutzt werden. Die Förderung rechtsstaatlicher Strukturen
könnte auch Fluchtursachen bekämpfen. Die Mittel der EU zur Förderung
gewaltfreier Konfliktbearbeitung müssen gestärkt werden. Klimadiplomatie soll
an Bedeutung gewinnen.
Die
FDP will den vernetzten Ansatz vorantreiben, der Außen-, Entwicklungs-
und Sicherheitspolitik zusammendenkt und die außenpolitischen Instrumente der
EU effektiv zur Krisenprävention einsetzt. Dazu muss die EU verstärkt in die
Entwicklung der zivilen Friedensexpertise investieren, z. B. im mehrjährigen
Finanzrahmen 2021-2027.
B. Antworten zu Fragen der Aktion
Aufschrei „Stoppt den Waffenhandel!“
1. Rüstungsexport
grundsätzlich verbieten?
Die Linke tritt für ein umfassendes Verbot von
Rüstungsexporten ein. EU-Mitgliedsstaaten, die die diesbezüglichen
EU-Vorschriften nicht einhalten, sollen bestraft werden. Dual-Use-Güter, die
für die Produktion von ABC-Waffen eingesetzt werden können, dürfen nur an
Staaten geliefert werden, die die entsprechenden Verträge ratifiziert haben.
Die
Grünen wollen Rüstungsexporte nur innerhalb der EU und an NATO-Länder
zulassen, die Menschenrechte- und Demokratie-Standards erfüllen. Sie treten für
ein EU-Gesetz ein, das die 8 Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts in geltendes
Recht verwandelt.
Die
SPD lehnt die pauschale Erhöhung von Rüstungsausgaben ab. Da sie aber
Bundeswehrsoldaten modern ausrüsten will, setzt sie auf Synergien durch
EU-gemeinsame Beschaffungspolitik. Ein parlamentarisches Gremium soll die
Exporte aus der EU restriktiv kontrollieren und Verstöße hart sanktionieren,
insbesondere Ausfuhren an Diktaturen und Krisengebiete verhindern.
Die
FDP will kein generelles Rüstungsexportverbot, wünscht sich aber eine
EU, die sich weltweit für Abrüstung und Rüstungskontrolle einsetzt.
2. Export von Kleinwaffen
und dazugehöriger Munition verbieten? Verschärfung der europäischen
Exportregeln?
Die Linke fordert ein Verbot des Exports besonders von
Kleinwaffen und zugehöriger Munition.
Die
Grünen plädieren für ein Exportverbot von Kleinwaffen, weil sie die
größte Zahl an Opfern verursachen und ihre Verbreitung unkontrollierbar ist.
Die 8 Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts der EU sollen gelten und noch
ergänzt werden durch die Aufnahme von Risiken von Korruption, sexueller Gewalt,
Zustand der Demokratie im Empfängerland und Risiko für die nachhaltige
Entwicklung anderer Länder.
Die
SPD steht für ein Exportverbot von Kleinwaffen + Munition und für
verbindliche Regeln zu Rüstungsexporten.
Die
FDP wünscht sich eine Harmonisierung der unterschiedlichen
Rüstungsexport-Regeln der Staaten durch eine europaweite Verordnung mit hohen
Standards.
3. EU-Waffenembargo gegen
am Jemen-Krieg beteiligte Staaten?
Die Linke wird sich speziell für ein Waffenembargo
gegen die am Jemen-Krieg beteiligten Staaten einsetzen.
Die
Grünen haben die Debatte über Lieferungen an am Jemen-Krieg Beteiligte
initiiert und 2016 eine Mehrheit für ein Verbot erreicht. Sie werden im
künftigen Europaparlament (EP) versuchen, diese Mehrheit wieder zu gewinnen.
SPD: Mit starker Unterstützung durch die
deutschen Sozialdemokraten hat das EP schon mehrfach ein Waffenembargo gegen am
Jemen-Krieg beteiligte Staaten gefordert. Dieses Engagement werden sie
fortsetzen.
Die
FDP will grundsätzlich keine Waffenexporte in Krisen-, Konflikt- und
instabile Gebiete zulassen, weil die Chancen auf friedliche Konfliktlösungen
dadurch behindert werden können.
4. Mehr Transparenz,
vertiefte Berichtspflicht einschließlich Begründungen für umstrittene
Rüstungsexporte?
Die Linke wird sich für eine vertiefte Berichtspflicht
zu Rüstungsexporten für die Mitgliedsländer einsetzen, die Begründungen für
strittige Exporte einschließt.
Die
Grünen fordern schon lange – so auch künftig – mehr Transparenz von der
zuständigen Arbeitsgruppe im Europäischen Rat, zumindest die schnelle
Veröffentlichung des Jahresberichts wenige Tage nach dem Kalenderjahr. Sie
streben eine öffentliche EU-Datenbank zu den tatsächlich getätigten Ausfuhren der Mitgliedsländer an (der bisherige Jahresbericht gebe
vorwiegend Absichtserklärungen in den Lizenzen wieder).
Die
SPD tritt für gemeinsame restriktive Kontrolle von Rüstungsexporten auf
Einhaltung der Kriterien des Gemeinsamen Standpunkts durch ein
parlamentarisches Gremium ein. Verstöße sollen hart sanktioniert werden.
Die
FDP strebt nach einer Harmonisierung der unterschiedlichen Standards der
Mitgliedsländer durch eine Rüstungsexport-Verordnung, die den Gemeinsamen
Standpunkt rechtsverbindlich macht.
5. Ein europäisches
Aufsichtsgremium zur Kontrolle der Einhaltung der Kriterien des Gemeinsamen
Standpunkts der EU?
Die Linke ist für ein europäisches Aufsichtsgremium
zur Überwachung der Einhaltung des gemeinsamen Standpunkts. Die Ständige
Strukturierte Zusammenarbeit, die eine europäische Armee vorbereitet, will sie
beenden, die geplanten Rüstungshaushalte EVF und EFF streichen und die
EU-Rüstungsagentur durch eine EU-Abrüstungsagentur ersetzen.
Die
Grünen fordern dringend ein europäisches Aufsichtsgremium, das die
Einhaltung des Gemeinsamen Standpunkts durch die Mitgliedsstaaten überwacht und
ggf. Sanktionen verhängt.
Die
SPD fordert ebenfalls ein europäisches Aufsichtsgremium, das die
konsequente und einheitlich restriktive Umsetzung des Gemeinsamen Standpunkts
sicherstellt. In die Mitbestimmung dieses Gremiums muss unbedingt das Parlament
eingebunden werden.
Die
FDP will eine europaweite Rüstungsexport-Verordnung erreichen, die den
Gemeinsamen Standpunkt rechtsverbindlich macht und weiterentwickelt.
6. Autonome
Waffensysteme/Kampfroboter völkerrechtlich ächten? Deren Entwicklung mit
Geldern des Europäischen Verteidigungsfonds finanzieren?
Die Linke fordert, dass Entwicklung, Produktion und
Verwendung von autonomen Waffen völkerrechtlich geächtet und deren Finanzierung
durch den Europäischen Verteidigungsfonds abgelehnt wird.
Die
Grünen haben die im September 2018 vom Europaparlament angenommene
Entschließung zur völkerrechtlichen Ächtung autonomer Waffensysteme initiiert.
Dieser hat sich auch der ExpertInnenrat der Kommission angeschlossen. Auch im
Rahmen des künftigen Europäischen Verteidigungsfonds haben die Grünen durch
Anträge und Insistieren erreicht, dass diese Waffen in einem Gesetz definiert
und verboten werden. Dennoch fördern Präsident Macron und andere die
Entwicklung dieser Waffen mit vielen Millionen. Die Grünen werden dagegen
halten.
Die
SPD will die Initiativen von Heiko Maas zur Einbeziehung von autonomen
und Cyberwaffen in Abrüstungspläne auf europäischer Ebene zur Geltung bringen.
Wegen Gesetzeslücken bei Rüstungsexportfragen haben die deutschen
Sozialdemokraten den Europäischen Verteidigungsfonds mehrheitlich abgelehnt.
Die
FDP setzt sich für die Ächtung autonomer Waffen ein.
Aus
den Originalantworten zusammengestellt von Gela Böhne und Renate Wanie
(Heidelberger Friedensratschlag)
16.
Mai 2019